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Jüdische Weisheit
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Bericht 2001
Bericht 2002
 

Die Sozialarbeit
der Jüdischen Gemeinde Weiden
Jahresbericht 2001
 

Jüdische Gemeinde in Weiden - Brennpunkt „Migration“

Migration in Deutschland ist schon seit der Völkerwanderung ein Thema und beschäftigt und erregt die Gemüter immer wieder. Zeitweise wird es auch als Wahlkampfthema missbraucht.

Wissen wir aus den Zeiten der Völkerwanderung, dass Migration immer wieder gewaltsam und mit Kriegen verbunden war, so scheint sie heute nur vordergründig weniger gewaltfrei abzulaufen.

Deutschland - ein Migrationsland - viele wollen das nicht wahrhaben, weil dies, wie es scheint ihr eigenes Selbstverständnis in Frage stellt. Und doch ist es so und man könnte daraus eigentlich Gewinn ziehen, würde man sich vorurteilslos seinen eigenen Ängsten stellen, diese hinterfragen, statt nur zu polemisieren und mit den Ängsten  der anderen Politik zu treiben.

Die Jüdische Gemeinde Weiden, die seit nun sieben Jahren viele Erfahrungen im Bereich Migration gesammelt hat, sieht aber auch die Perspektive der Zuwanderer, könnte somit als Bindeglied zwischen Gesellschaft und Migranten dienen, würde dies je wirklich gewollt.

Ein Großteil dieser Gesellschaft nimmt Migranten im wesentlichen als Bittsteller und Bedrohung eigener Lebensbereiche wahr. Dass diese Menschen - werden sie hier wirklich aufgenommen (das ist auch unterschiedlich je nach Ausländerstatus) - sich in diese Gesellschaft durchaus konstruktiv einbringen und mit ihren Steuern auch zum Erhalt dieser Sozialgesellschaft beitragen, wird weniger gern zur Kenntnis genommen.

Dabei leben auch diese Menschen immer in einer zwiespältigen Situation. Am Beispiel der jüdischen Kontingentflüchtlinge versuchen wir dies einmal aufzuzeigen.

Die emotionale Situation jüdischer Emigranten aus der GUS

Schon zu Sowjetzeiten haben Juden in zwei Welten gelebt, innere Heimat contra äußerer Heimat. Das heißt, durch die mehr oder weniger kaschierte Abneigung bis hin zum offenen Antisemitismus erlebten sie immer wieder, dass die politische Heimat eigentlich keine war, denn ihr Judentum mussten sie verstecken.

Eine ähnliche Situation erleben sie hier, da die äußere Welt als fremd und oft als feindlich erlebt wird, meist wird den Menschen erst hier bewusst, dass Emigration doch mehr ist, als nur eine Reise ohne Rückfahrkarte.

Übergroßen Erwartungen folgt meist die große Ernüchterung. Sprachschwierigkeiten lassen sich oft kaum beseitigen, weil man auf einmal feststellt, dass man innerlich von „Drüben“ nicht Abschied genommen hat. Es kommt hier oft zu Doublebinds, die eine Selbstfindung in dieser Gesellschaft sehr erschweren. Ohne Sprache kein Zugang zum neuen System, zur neuen Gesellschaft, das wird häufig bitter erlebt und führt auch zu Ghettobildungen nicht nur in Großstädten.

In der Erinnerung erscheint dann das verlassene Land als ein Stück Geborgenheit. Als Fazit lässt sich sagen, fehlende innere Trauerarbeit verhindert hier die Neueingliederung. Das führt zu einem großen inneren Loch, in das die Menschen fallen und das häufig auch die Annäherung und Eingliederung in die Gemeinden verhindert. Dies sind auch die Erfahrungen von bereits auf Teilzeit arbeitenden russisch-sprachigen „Telefonseelsorgen“ in den jüdischen Gemeinden Köln und Düsseldorf.

Zudem hilft die drüben erlebte atheistische Erziehung wenig für die Eingliederung in die jüdischen Gemeinden. Religion wird häufig als fremd erlebt, das fördert auch nicht das Angenommenwerden durch die alteingesessenen Gemeindemitglieder. Damit sind neue Schwierigkeiten vorprogrammiert.

Wie Judith Kessler feststellt:[1]

„.....Ohne Kommunikation mit der Umgebung wird eine Integration aber immer nur partiell bleiben...... Denn so wie wir Kontaktablehnungen seitens der etablierten jüdischen Alteingesessenen haben, finden wir sie auch auf der Seite der Zuwanderer, die unter sich bleiben wollen und eigene Substrukturen bilden.“

Auch wir haben die Erfahrung gemacht, wie andere in dieser Arbeit, dass Frauen in der Emigration lernfähiger sind, Männer dagegen verschlossener. Sie hängen oft in einer für sie unerklärbaren Trauer fest, auf lange Sicht gesehen entsteht hier Suchtgefahr.

Die emotionale Situation in den Familien

Häufig stellen die Emigranten fest, dass anerzogene Rollenkonzepte hier nicht mehr stimmig sind. Erziehung funktioniert anders als im Herkunftsland. Außerdem scheint es eine Besonderheit zu sein, dass gerade jüdische Emigranten einen hohen Bildungsanspruch an ihre Kinder haben, der von diesen oft als Druck erlebt wird und nicht ohne weiteres geleistet werden kann.

Zwar haben jüdische Emigranten nicht die Schwierigkeit wie andere Migrantengruppen z.B. Türken, dass das neue Rollenkonzept bei einer Rückkehr in die Heimat nicht anerkannt wird, da sie ihre Emigration nach Deutschland meist als endgültig betrachten. Jedoch bleibt das „innere Loch“ der Erziehenden, wenn diese nicht wirklich innerlich voll ihrer Emigration zugestimmt haben.

Ebenfalls als schwierig erweist es sich, das unterschiedlich erlebte Rollenverständnis zu erlernen. In den Familien führt dies oft zu Schwierigkeiten, da Kindern eine unverhältnismäßige Rolle zukommt, aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, müssen sie für ihre Eltern dolmetschen. Dadurch werden Eltern oft als schwach erlebt. Die Arbeitslosigkeit mitunter beider Elternteile trägt auch nicht gerade zur besseren Verständigung innerhalb der Familien bei, gerade wenn unterschiedliche Ansprüche an das Leben „hier“ gestellt werden. Eine Verschärfung der Situation erfolgt dann in der Pubertät.

Nach einiger Zeit sprechen Kinder nur noch die Sprache der Mehrheitsgesellschaft, auch das führt dann zu Spannungen innerhalb der Familien, da sich Kommunikationsschwierigkeiten einstellen, daraus resultieren dann leicht Beziehungsstörungen und zuletzt dann Sprachlosigkeit.  Häufig schämen sich Kinder in bestimmten Altersgruppen der schlechten Deutschkenntnisse ihrer Eltern und Großeltern. Auch hier verschärfen sich die Konflikte in der Regel in der Pubertät.

Oft kommen Eltern gegenüber ihren Kindern in einen Erklärungsnotstand, da manche Situationen bei uns so nicht verstanden und zugeordnet werden können. Kinder erleben damit ihre Eltern in einem bestimmten Alter nicht als zuverlässig und Orientierungshilfe. Daraus entstehen dann leicht Vorurteile gegenüber dem neuen Leben im neuen Land. Diese Vorurteile treffen auf die Vorurteile der Einheimischen, was sich kontraproduktiv für eine gelungene Integration auswirkt.

In der Erziehung ist es wichtig, Kindern einen Rahmen zu geben, innerhalb dessen sie sich bewegen können und gleichzeitig auch die Begrenzung erleben. Dies ist für Emigranten sehr schwierig, da sich Rahmenbedingungen hüben und drüben unterscheiden. Ein schnelles Umlernen ist erforderlich, was oft nicht geleistet werden kann. Soziale Kontrollmechanismen wie die Familie und Großfamilie funktionieren nicht wie drüben. Hilfsmechanismen im hiesigen institutionellen System können häufig nicht angenommen werden, da sie aus dem früheren Lebenskontext nicht bekannt sind, die Sprachkenntnisse fehlen, oder sie sind negativ besetzt. (z.B. ist der Begriff der Psychiatrie noch aus Sowjetzeiten mit vielen negativen Erfahrungswerten besetzt)

Kinder und Jugendliche haben aus der Familie, je nachdem wie die Eltern innerlich der Emigration zustimmen, die Vorgabe, sich hier zu bewähren. Aus alten Sowjetzeiten funktioniert noch immer die Anforderung, wie die Eltern sie auch häufig kennen, Juden müssen immer bessere Leistungen erbringen als die anderen, um beruflich vorwärts zu kommen. Diesen Anspruch haben die Eltern hier auch an ihre Kinder. Doch was hier nicht begriffen wird, dass die Sprache eine zusätzlich Barriere ist, die man zuerst überwinden muss. Passiert dies nicht, so stellt sich Frustration ein.

Letztere schafft besonders unter Jugendlichen ein „Wir“-Gefühl, Solidarität tut gut und man findet in den eigenen Gruppen eine Bestätigung. Dieses Verhalten steht aber kontraproduktiv zu einer gelungenen Integration. In extremen Situationen schließen sich dann leicht Jugendbanden zusammen, die sich gemeinsam stark fühlen. Dies wird weniger in kleinen Gemeinden der Fall sein, ist aber sicher in Großstädten eher ein Problem, da es hier verstärkt auch Jugendliche anderer Nationalität gibt, die ihrem eigenen Frust ebenso Ausdruck verleihen.

Man kann dies leicht als vorübergehendes Jugendproblem abtun, aber dabei macht es sich die Mehrheitsgesellschaft zu leicht. Um verantwortliche Erwachsene für diese Gesellschaft zu gewinnen, müssen Frustrationen dieser Art möglichst vermieden werden. Außerdem könnte der Jugendkriminalität wesentlich entgegen gearbeitet werden, wenn Gelder in einer angemessenen Migrationsarbeit gezielter eingesetzt würden.

Die gesellschaftliche Isolation begünstigt sehr häufig auch die individuelle. Wenn Gemeinde hier hilfreich eingreifen könnte, so wird dies oft durch die Sprach-schwierigkeiten behindert. Es schließt sich ein Teufelskreis, keine genügenden Sprachkenntnisse, keine wirkliche Integration.

Zudem muss man auch immer bedenken, dass die Integration in die Gemeinde nur der erste Schritt sein kann. Die politische Gesellschaft, die diesen Menschen die Zuwanderung angeboten hat, muss ebenfalls erheblich mehr Verantwortung und Leistung einbringen, außer sie will den momentanen Zustand in diesem Land verfestigen. Wir als Jüdische Gemeinden, die eigentlich nicht gleichberechtigte Bestandteile dieser Gesellschaft sind, sollen Integrationsleistung erbringen, und arbeiten dabei bereits an unserer absoluten Leistungsgrenze.

Finden wir dabei weiterhin so wenig Unterstützung bei Politik und Gesellschaft, so kann man in ein paar Jahren mehr oder weniger beklagen, dass Integration misslungen ist.

Migration und Gesundheit

Es gibt Langzeitstudien über Migranten, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Migration und Gesundheit auseinander setzen. Was die Gesundheit dieser Menschen sicher beeinflusst ist der unterschiedliche rechtliche Status, den einzelne Ausländergruppen hier in der BRD haben. Rechtsunsicherheit beeinträchtigt eine stabile Gesundheit. So gesehen sind Ausländer in bestimmten gesundheitlichen  Bereichen Risikogruppen. Auch hier tut sinnvollere Gesetzgebung Not und Geld könnte in Präventionsarbeit sinnvoller ausgegeben werden.

Unseren Erfahrungen nach können wir auch hier einiges bestätigen. Danach muss man dabei bei verschiedenen Generationen unterscheiden.

Die älteren Erwachsenen über 50 Jahre: sie kommen hierher in einem Alter, in dem sie die wesentliche Sozialisation hinter sich haben. Die innere Heimat ist gefestigt, das Lebenskonzept verwirklicht. Trotzdem erleben sie hier oft ein emotionales Loch, denn  sie sind jetzt „Sozialhilfeempfänger“, also Bittsteller. Die Sprache, die man ihnen hier nicht mehr zutraut und für deren Erlernen es keine staatliche Hilfe gibt, fehlt ihnen. Bei Krankheiten müssen sie oft einen Dolmetscher mit zum Arzt bitten. Kommen sie mit ihren Kindern, so haben sie noch die Aufgabe, die kleineren Enkelkinder zu hüten, doch die Lebenswelten im Vergleich  zu den älteren Enkelkinder sind völlig anders. Hauptsächliche Krankheiten:

  • internistische Erkrankungen
  • verstärkte  depressive Erkrankungen, drohende Vereinsamung
  • massive Altersdepressionen

Die Erwachsenen von 30 – 50 Jahren: sie kommen hierher, geprägt durch eine Sozialisation von drüben. Beruf und Rollenkonzepte wurden auch dort erlernt. Hier erleben sie oft eine innere Zerrissenheit zwischen der Kultur des Herkunftslandes und den Angeboten im neuen Land. Selbst erleben sie sich als fremd und die vielen Möglichkeiten  begünstigen häufig Ängste und überfordern die Menschen. In den mitgebrachten Berufen, die hier nicht anerkannt werden,  haben sie meist kein Glück und müssen unterqualifizierte Jobs annehmen, was den eigenen Selbstwert nicht gerade fördert.  Das untergräbt auf Dauer die psychische Gesundheit. Der Konkurrenzdruck in unserer Gesellschaft ist ihnen meist fremd. Das momentane Konzept zur Vermittlung der deutschen Sprache fördert nicht die Sprachfertigkeit von Ausländern. Ungenügende Sprachkenntnisse bedeuten aber, Unsicherheit und Rückzug aus der Mehrheitsgesellschaft und drohende Isolation. Auch hier gibt es eine relativ hohe Krankheitsanfälligkeit:

  • internistische Krankheiten, häufig Krebserkrankungen
  • Burn-Out, Depressionen (bei Männern meist laviert)

Die jungen Erwachsenen versuchen, sich hier ihr Leben neu aufzubauen und nehmen leichter inneren Abschied vom Herkunftsland. Für diese Generation scheint momentan noch alles machbar zu sein, obwohl auch sie hier erst einmal umlernen, sowohl in Sprache als auch im Beruf. Inwieweit sie und die Kinder und Jugendlichen von den Problemen betroffen sein werden, die andere Migrantengruppen kennen, wird die Zukunft erweisen. Untersuchungen, hauptsächlich aus dem Bereich der Gastarbeitergruppen stimmen hier nachdenklich.

Demnach werden diese Menschen, die eigentlich als die Generation der Zukunft gelten auch  als „kranke Generation“ bezeichnet. Hier schlägt die Verunsicherung voll durch. Völlig von den Traditionen des Herkunftslandes entfernt, von der Mehrheitsgesellschaft nicht angenommen leben sie zwischen zwei Stühlen. Die Emigrationsgesellschaft, die immer existiert nimmt sie nicht an, da sie sich entfremdet haben, die Mehrheitsgesellschaft nimmt sie nicht an, da sie nicht den von ihnen aufgestellten Anforderungen entspricht. Viele von ihnen sind desorientiert und am Suchen. Jugendliche müssen lernen, beide Gesellschaften, die der Emigranten und die Mehrheitsgesellschaft zu akzeptieren.  Bei ihnen ist die Suchtgefahr am höchsten.

Gerade hier wird sichtbar, was der Mehrheitsgesellschaft passieren kann, wenn nicht wirklich ernsthaft Integrationsarbeit geleistet wird, und zwar Integration, die dem Fremden seine Wertigkeit in seiner mitgebrachten Kultur lässt und ihn damit vollwertig in diese Gesellschaft an- und aufnimmt. Es werden auf Dauer gesehen Randgruppen entstehen, die irgendwann als nicht integrierbar von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt werden und die man für die entstehenden Kosten z.B. im Gesundheitswesen verantwortlich machen wird.

Psychosoziale Betreuung – eine große Aufgabe der Zukunft

Diese Erkenntnisse über den Zusammenhang von Gesundheit und Migration sind wichtige Voraussetzungen, wenn man mit verstärkter, Zielgerichteter und qualitativ hochwertiger Migrationsarbeit auch in den jüdischen Gemeinden beginnt. Diese Arbeit muss auch immer wieder auf ihre Qualität hin überprüft werden. Das können allerdings kleine Gemeinden kaum leisten, deshalb ist es wünschenswert, wenn sich hier Arbeitskreise bilden, möglichst erfahrene Leute, sowohl aus dem Bereich der Zuwanderer, als auch aus dem Bereich der Alteingesessenen zusammen tun und gemeinsam ein Konzept erarbeiten zur langfristigen Einbindung von Zuwanderern in die Gemeinden und die politische Gesellschaft dieses Landes. Dieser Erfahrungsaustausch muss am besten übergemeindlich passieren.

Die psychische Betreuung  der Neuzuwanderer ist ein Problem, das immer deutlicher in den Vordergrund tritt. In allen Altersgruppen wird mehr oder weniger schnell klar, dass psychische Entlastung für die Menschen notwendig ist. Je nachdem wie schnell man hier Fuß fasst, sich eingliedert, oder es zumindest versucht, die gesunde seelische Verfassung steht auch hier an erster Stelle, soll die Lebensbilanz positiv ausfallen.

Die bekannten institutionellen Anlaufstellen in Deutschland sind dieser Aufgabe meist überhaupt nicht gewachsen. Von den Migranten werden sie, wie schon erwähnt, als fremd erlebt, da im Herkunftsland nicht bekannt. Die Sprache ist die zweite Hemmschwelle. Wenn es um Gefühle geht, so kann man diese am besten in der Muttersprache formulieren.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Kranke angenommen fühlen, wenn sie wissen, der Arzt spricht wenigstens ein paar Worte der eigenen Sprache, wie viel wichtiger ist es dann, zu wissen, mein Gegenüber kann die Sprache meiner Seele verstehen.

Seelische Entlastung tut Not. Aus den Reihen der Zuwanderer kommen genügend Spezialisten, die hier eingesetzt werden könnten. Wir sind z. Zt. am Andenken, wie sich ein sozialpsychiatrischer Dienst in russischer Sprache organisieren ließe. Ob und wie psychologische Beratung innerhalb der Gemeinde angeboten werden kann, das ist v. a. auch eine Kostenfrage, Gemeinden können dies eigentlich nicht leisten, die Betroffenen noch viel weniger.

Zudem sehen wir, dass die Sozialarbeiter, die jahrelang in diesem verantwortungsvollen Job aufgerieben werden, dringend psychische Entlastung in einer laufenden Supervision brauchen. Diesen Menschen, die tagtäglich mit den Nöten und Ängsten der Klienten konfrontiert werden, droht das seelische Ausbrennen in ihrem Beruf. Auch hier wäre es folgerichtig, eine psychologische Betreuung anzubieten, soll die Qualität der Arbeit weiter gut bleiben. Und auch hier ebenso – eine Frage der Finanzen!

Optimal wäre die Lösung, in einigen Gemeinden zentrale Beratungs- und Betreuungsstellen dieser Art zu schaffen. Wäre auch noch machbar, wenn diese muttersprachigen Beratungsstellen bereits bestehenden institutionellen Beratungszentren zugeordnet wären, dann hätten auch betroffene Aussiedler Chancen. Dass auch sie russisch-sprachige Betreuung suchen, wird an der Statistik der beiden zeitweise arbeitenden russischen „Telefonseelsorge-Stellen“ in den jüdischen Gemeinden Düsseldorf und Köln deutlich. Auch hier: Wer kommt für die Kosten auf?

Muttersprachige Psychologen und Psychotherapeuten könnten auch hier Bindeglieder zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den Migranten werden und eine gelungene Integration fördern.

Aktuelle Situation der Jüdischen Gemeinde

Im Jahr 1990, als die ersten beiden Familien noch im ungeregelten Verfahren aus der GUS kamen, stand unsere „Mini-Gemeinde“ gemäß ihren Statuten eigentlich vor der Auflösung. Gerade noch 26 Menschen, wobei davon ca. 60% über 60 Jahre waren, trafen sich nur noch mühsam zu den hohen Feiertagen und ein reisender Religionslehrer aus Nürnberg versorgte neben unseren Kindern auch noch die aus den Gemeinden Amberg und Hof mit Religionsunterricht.

Der September 1994 brachte dann offiziell die Wende. Seitdem kommen jedes Monat neue Menschen hier in Weiden an und wenden sich als erstes hier an das Gemeindebüro, von dem sie Unterstützung für das neue Leben erwarten.

So haben wir seit September 1994 bis Dezember 2001: 1281 Menschen betreut. Hinter dieser nüchternen Zahl stehen viele menschliche Probleme und Nöte. Sehr viele davon sind weiter gezogen, da Weiden wenig Arbeits- oder Qualifizierungsmöglichkeiten bietet, aber die Anfangsschwierigkeiten haben sie bei uns bewältigt.

Die meisten der Zuwanderer sind "kopflastig", d.h. in akademischen Berufen tätig und da bietet diese Region sehr wenig. Die Großstädte sind hier ein Anziehungspunkt, locken sie doch mit Arbeit und vielerlei Ausbildungsmöglichkeiten, die man hier nicht findet. Zudem kommen sie alle aus den großen Städten der GUS und können sich an ein kleinstädtisches Leben nur schwer gewöhnen.

Allein im vergangenen Jahr wurden von der Landesaufnahmestelle in Nürnberg 168
(+ eine Geburt) Menschen nach Weiden geschickt und 134 Menschen (davon 8 Sterbefälle) haben Weiden wieder verlassen. Das ist manchmal frustrierend in dieser Arbeit. Man regelt die Anfangsbedürfnisse und dann gehen die Menschen wieder.

Was sie dabei eintauschen ist allerdings die Geborgenheit einer "kleinen" Gemeinde, die gerade die Älteren in den großen Städten vermissen.

So stellt sich grafisch die Altersstruktur zum 31.12.2001 wie folgt dar:

Alter

Personen-
zahlen

Anteil %

0-20    Jahre

  118

25,59

20-30   Jahre

   38

 8,24

30-50   Jahre

  142

30,80

über 50 Jahre

  163

35,35

Von den älteren Erwachsenen wird die Gemeinde als „Nest“ und Heimat sehr geschätzt, so ist auch unser Seniorenclub die Gemeindeeinrichtung, die am aktivsten arbeitet.


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