
Sozialarbeit und
Kulturarbeit
der Jüdischen Gemeinde Weiden
Jahresbericht 2001
Ehrenamtliche Tätigkeit:
Sie ist ein fester Bestandteil in unserer
Arbeit geworden. Ohne unsere Helfer ginge gar nichts mehr. Sie sind da, wenn es
sich um Ehrenämter bei den religiösen Angelegenheiten handelt, oder ob es
innerhalb der Gemeinde nötig ist, irgendwo Hand anzulegen. Bei Tagungen auf
Bundesebene stellen wir immer wieder fest, dass ein so großes Gemeindeengagement
bei den Zuwanderern nicht selbstverständlich ist. Aber es zeigt, dass man auch
Menschen für einen Dienst begeistern kann, den sie von „drüben“ so nicht kennen.
Die Jüdische Gemeinde Weiden hatte
nach dem Krieg keine kontinuierlich arbeitende "Chewra Kaddisha"
mehr gekannt. Seit der Zuwanderung haben wir es geschafft, dies hier wieder
aufzubauen.
Auch unsere "Shabatt-Frauen" rekrutieren sich aus den Zuwanderern. Sie sind
verantwortlich, dass am Freitagabend für alle Gemeindeangehörigen nach dem
Gottesdienst auch für den Kiddusch gesorgt ist. Das gemeinsame anschließende
Zusammensein nach dem Gebet bei einem Imbiss - nachdem der Segensspruch über
Brot und Wein gesprochen wurde - fördert den Zusammenhalt untereinander und man
kann und muss auch über andere Dinge als nur die alltäglichen Probleme sprechen,
denn die Sprechstunde ist an diesem Abend geschlossen.
Zudem engagieren sich viele, wenn es heißt,
schnell Hand anzulegen bei kleineren Reparaturarbeiten.
Auch hier wird deutlich, wird der Mensch als
solcher angenommen, vertraut man ihm eine Aufgabe an und vertraut gleichzeitig
auf seine Fähigkeiten, dann kann er sich einbringen und tut es auch gerne. Was
auf kleiner Ebene innerhalb einer Gemeinde funktioniert kann ebenso im Großen
auf gesellschaftlicher Ebene Realität werden, würde es nur von der
Mehrheit wirklich so gewollt.
Neues Leben - neue Heimat – neue Sprache?
Deutschland - ein neues Land, ein neues Leben und in all das setzt man ganz viel
Hoffnung. Man hofft darauf, wenn man es selbst nicht schafft, sich all seine
Träume zu verwirklichen, so sollen es wenigstens die Kinder sein. Sie sollen
mehr erreichen, ihnen sollen sich die Tore dieser Gesellschaft öffnen.
Damit dies geschehen kann, muss erst die neue Sprache erlernt werden und das ist
schwer.
Sprache ist ein lebensnotwendiges Kommunikationsmittel und damit drückt jeder
seine Gefühlswelt aus. Die jüdischen Emigranten haben jedoch einen erheblichen
Nachteil. Sie treffen hier mit keinerlei deutschen Vorkenntnissen ein. (Im
Gegensatz zu den Aussiedlern, die diese Kenntnisse bereits noch drüben
nachweisen müssen.)
Sind die Zuwanderer im arbeitsfähigen
Alter, so steht ihnen ein sechsmonatiger Sprachkurs an der VHS zu, der vom
Arbeitsamt finanziert wird. In dieser Zeit erhalten die Menschen
Eingliederungsgeld, dessen Satz knapp über dem Sozialhilfeniveau liegt. Die
Zuwanderer im arbeitsfähigen Alter besuchen von 8.00 – 15.30 Uhr den
Deutschunterricht.
Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht mehr für leistungsfähig angesehen
werden, die keinen Nutzen durch Arbeit mehr bringen können, haben auch keinen
Anspruch darauf, unsere Sprache zu lernen. Dass man durch nicht vorhandene oder
unzureichende Sprachkenntnisse den Menschen aus dem täglichen Leben aussperrt
und die Einbindung in unsere Gesellschaft verwehrt, dessen ist man sich
scheinbar wenig bewußt.
Die Jüdische Gemeinde versucht, diesem
Mißstand entgegen zu steuern, indem wir selbst sechs Mal pro Woche Kurse
anbieten, die gut besucht sind. Dies zeigt, dass die Menschen, die zu uns
kommen, sich nicht nur abkapseln und ihr eigenes Leben leben wollen,
sondern sehr gerne am gesellschaftlichen Zusammenleben teilnehmen würden , wenn
man dies zuließe.
Eine gründliche Überarbeitung der
Konzeption der Deutschkurse ist dringend notwendig. Man könnte sich Hilfen und
Anleihen aus anderen Staaten holen, in denen Einwanderer binnen kurzer Zeit die
neue Sprache so lernen, dass sie sie im Alltag anwenden können. Israel mit
seinem Konzept des Ulpan könnte hier auch nützlich sein. Zur Qualität und
Dauer der Deutsch-Sprachkurse ist weiterhin anzumerken, dass man bei längerer
Förderung und überarbeitetem Konzept der Kurse auf lange Sicht gesehen,
wesentlich mehr Sozialhilfeleistungen sparen könnte, wenn man den Menschen nicht
von der Sprache ausschließen würde.
Nach einer Kursdauer von sechs Monaten
beherrscht niemand die neue Sprache. Der Teufelskreis mit der Sozialhilfe,
auf die niemand gerne angewiesen ist, beginnt wieder von Neuem.
Zudem ist es auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, denn ernst gemeinte
Integration erfordert gute Sprachkenntnisse des neuen Landes.
Politische Lage
Diese Überschrift war neu im letzten Jahr und hat leider nichts an Aktualität
eingebüßt. Drei antisemitische Vorfälle auch im Jahr 2001:
-
März: ein Farbanschlag auf das Mahnmal für
die im 3.Reich ermordeten Weidener Juden
-
Mai: Hundekot auf der Klingelanlage des
Privatanwesens der Gemeinde-vorsitzenden
-
Mai: erneut Schmierereien am Mahnmal
Wurde noch
im Jahr 2000 die Gemeindeleitung als „Nestbeschmutzer der Stadt“ von der
politischen Stadtleitung diffamiert, so merkte es im vergangenen Jahr auch der
brave Normalbürger, dass der braune Mob auch nicht vor Weiden Halt machte.
Zeitungsberichte über einige Prozesse gegen Neonazis und andere neonazistische
Vorfälle belegen dies.
In unseren
Angelegenheiten haben die polizeilichen Ermittlungsarbeiten keinerlei Ergebnisse
gebracht. Im Gegenteil, die Einsicht in die bestehenden Ermittlungsakten hat uns
eher verunsichert, was hier überhaupt ermittelt wurde oder werden sollte.
Dagegen
treten unserer Wahrnehmung nach – und das bemerken auch „normale“ Bürger- junge
Menschen, die ihre rechte Gesinnung deutlich nach außen zeigen, immer häufiger
in der Öffentlichkeit auf. Damit tritt dann ein Gewöhnungseffekt ein, man
gewöhnt sich an deren Erscheinungsweise, sie werden irgendwann fester
Bestandteil des Straßenbildes, des Gesellschaftsbildes.... und was dann?
Einige Pressemeldungen:
Sicherung der Gemeinde – eine neue
Situation
Die neue
politische Lage, mit der wir uns im Jahr 2000 konfrontiert sahen hat uns im
letzten Jahr gezwungen, Sicherungsanlagen in für Weidener Verhältnisse nie
gekanntem Ausmaß einzubauen. Die letzte Baumaßnahmen – wobei uns die
Stadtverwaltung noch einige Sicherungsmaßnahmen auferlegte – werden erst im
laufenden Jahr abgeschlossen werden.
Unsere
Reserven sind jetzt mehr als erschöpft, denn unser Gebäude musste von Grund auf
saniert werden. Unsere Räume sind jetzt wieder freundlich und modern, aber
leider haben wir keinen Platz mehr damit erzielt, die Raumnot bleibt bestehen,
wie wir es immer gerade an den Feiertagen merken, wenn alles überfüllt ist.
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dies lässt sich am ehesten mit der
Hospizbewegung vergleichen. Nur ist es im Judentum eine Kranken- und
Sterbebegleitung seit alters her, die auch die "Tahara" (rituelle
Totenwäsche) mit einschließt. Gerade für letzteres ist nicht jeder
geeignet und er muss erst die tiefe Bedeutung und den Sinn dieses
Dienstes erkennen. Ebenso kümmern sich die Angehörigen der Chewra auch
um die Hinterbliebenen.
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