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Die Einweihung der Münchner Hauptsynagoge:
Eine fürwahr erhebende Feier

Die Synagogenbauten der Neuzeit, nach Wolfram Selig

Die Einweihung der neuen großen Synagoge an markanter Stelle der Stadt war für die Münchner Juden glanzvoller Höhepunkt einer Entwicklung, die vom Beginn des Jahrhunderts an in langsamen Schritten und mit mancherlei Rückschlägen schließlich zur völligen Gleichberechtigung der Deutschen jüdischen Glaubens mit ihren Landsleuten geführt hatte.

In diesem Sinne war die Einweihung der Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße nicht nur ein Fest für die jüdische Gemeinde, sondern eine Feier, bei der Staat und Stadt durch die Anwesenheit ihrer höchsten Repräsentanten die Gleichstellung der jüdischen Münchner Mitbürger bekräftigten.

Die Feierlichkeiten begannen am 16. September um 6 Uhr früh mit einem letzten Gottesdienst in der alten Synagoge und der "Überführung der heiligen Gesetzesrollen mittel Equipagen". Daran anschließend fand die feierliche "Schlußsteinlegung" statt. "In die eingelegte Kapsel wurde eine Urkunde über den feierlichen Akt, sowie sämtliche Münzen und Tagesblätter eingeschlossen". Die für den Bau verantwortlichen drei Bauführer erhielten "je eine goldene Remontoir-Uhr mit Widmung in prachtvollem Etui als Zeichen der Anerkennung überreicht".

Vor der Synagoge wehten Fahnen in den bayerischen und Münchner Farben, "kostbare Seidenfahnen in Weißblau und Schwarzgelb flatterten von den Ecktürmchen und der Kuppel herab". Zahlreiche Neugierige verfolgten die Auffahrt der Ehrengäste, darunter Ministerpräsident Freiherr von Lutz, Innenminister Freiherr von Feilitzsch, Regierungspräsident Freiherr von Pfeuffer, Landtagsabgeordnete und die Bürgermeister von Erhardt und Widenmayer.

"Lieblosigkeit und Unduldsamkeit, Haß und Zwietracht sei allezeit verbannt"

Der bei der Feier anwesende damalige Stadtchronist Ernst von Destouches berichtete: "Die Synagoge selbst war matt beleuchtet und in der Mitte und in den Seitenschiffen von den Gemeindeangehörigen und den geladenen Herren, einem von Knaben (in weißblauen Schärpen) und weißgekleideten Mädchen gebildeten Spalier, auf den Chören von den Damen besetzt". Unter dem Klang von Posaunen und Pauken folgte daraufhin der Ein
zug der zwölf "in prachtvollen Geräthen aus Gold und Silber" aufbewahrten Thorarollen. In einem zeitgenössischen Bericht hieß es: "Schlag 5 Uhr ertönte vom Chore eine hochfeierliche Jubelouvertüre, componiert vom Professor der königlichen Musikschule Herrn Hans Hasselbeck. Während derselben erfolgte die Thoraöffnung durch Herrn Oberrabbiner Perles". In einem Pressebericht wurde der weitere Verlauf folgendermaßen geschildert: "Kantor Kirschner, Rabbiner Dr. Perles trugen im linken Arm diese oben mit Klingeln versehenen Geräthe um die Synagoge herum, deren Portale hierbei geöffnet wurden, während vom Chor der 26. Vers des Psalmes 118: 'Gesegnet sei, der da kömmt im Namen des Herrn' erklang". Unter "fortwährenden liturgischen Gesängen folgte die Weihe und das Anzünden der heiligen Lampe", Gesang begleitete auch das Öffnen der Heiligen Lade. Nach dem neuerlichen Umzug mit den Thorarollen, der Schließung der heiligen Lade und dem Abgesang mit dem 84.Psalm "Wie lieblich sind deine Wohnungen, Ewiger Zebaoth", hielt Rabbiner Perles die Festpredigt.



Zunächst dankte er Gott dafür, "daß die Bekenner des mosaischen Glaubens nicht mehr vogelfrei, unstät und flüchtig sind". Die Schönheit des Tempels und die feierliche Gestaltung des Gottesdienstes sei in Israel uralt und schon in grauer Vorzeit seien die Gottesdiensträume im Bunde mit der Kunst erbaut worden. Nachdem es den Juden lange Zeit verwehrt gewesen sei, öffentliche Gottesdienste abzuhalten, müsse man Gott dafür danken, "daß in geordneten gesicherten Zuständen die gottesdienstlichen Räume wieder mit Pracht und Kunst ausgestaltet werden können". In einem Gebet weihte der Redner die Synagoge "zu einem Hause des Friedens, des Friedens für die regierenden Gewalten der Erde, des Friedens der einen Gemeinde". Und mahnend fuhr er fort: "Fern bleibe von dieser Stätte religiöser Anbetung Lieblosigkeit und Unduldsamkeit, Haß und Zwietracht sei allezeit verbannt".

Zuletzt bat der Rabbiner "in erhebenden Worten für Bayerns König, für das Theure Haupt des Prinzregenten, für die Minister, für die Verhandlungen der Kammer,
für das gesamte Bayernland und besonders für die Stadt München, für seine Behörden und Bürger, für die israelitische Gemeinde und deren Verwaltung um den Schutz und den Segen des Himmels". Zum Abschluß der Einweihungsfeier "erstrahlte der Prachtbau plötzlich in glänzendem Lichte", und begleitet von Orgel und Posaunen erklang der Psalm "Hallelu Jah! Lobet Gott in seinem Heiligthum".

Hochbeeindruckt berichtete noch am selben Tag der Reporter des "Bayerischen Kurier": "Es war eine erhebende Feier, an der sich gewiß auch die vielen Andersgläubigen, welche derselben auf Einladung beiwohnen konnten, erbaut haben".

Erich Orthenau, Sproß einer alten einflußreichen jüdischen Münchner Familie, versuchte rückschauend zu erklären, was in den Männern vorgegangen sein muß, die an diesem 16.September 1887 in der neuen Synagoge versammelt waren: "Sie sonnten sich noch in dem Bewußtsein, einen Weg zurückgelegt zu haben, der aus dem Zwielicht der Geschichte in das helle Licht des Tages geführt hatte". Nicht mehr versteckt hinter unscheinbarer Fassade, wie noch in der Westenriederstraße, sondern in einem unübersehbaren Prachtbau, ebenbürtig den um diese Zeit errichteten anderen Sakralbauten — wie z. B. der ebenfalls von A. Schmidt erbauten St. Lukas-Kirche —, konnte sich die Gemeinde künftig zu ihren Gottesdiensten versammeln. Neben der 1869 und 1871 endlich erreichten vollen Gleichstellung der Juden in Gesellschaft und Staat hatte man mit diesem Bau auch die Gleichberechtigung des religiösen Bekenntnisses dokumentiert.

Normalität schien nun einzukehren. Der größte Teil der Münchner Juden fühlte sich akzeptiert, glaubte, das lang erstrebte Ziel erreicht zu haben: als Deutsche — und zwar gute Deutsche — jüdischen Glaubens anerkannt zu sein.

In diesem Sinne hatte man auch die Gottesdienste der neuen Zeit angepaßt, sie vom "Ballast" vieler Traditionen befreit. Ebenso feierte man im jüdischen Gotteshaus wie in den christlichen Kirchen die nationalen deutschen Feiertage. Ein Beispiel dafür gibt ein Bericht über eine Feier am 31. August 1895: "In der Synagoge fand heute Vormittag zur Erinnerung an die glorreichen Tage des Kriegsjahres 1870/71 Festgottesdienst statt, zu dem sich die Angehörigen der israelitischen Gemeinde zahlreich eingefunden hatten". Rabbiner Werner wies "auf die Bedeutung der Feier als eines nationalen Festes für ganz Deutschland hin, das auch die Deutschen israelitischen Bekenntnisses mitfeiern zu Ehren des gemeinsamen Vaterlandes". In jeder christlichen Kirche hätte ein "national gesinnter" Pfarrer wie Werner der Freude Ausdruck verleihen können, "daß Gott der gerechten Sache den Sieg verliehen hat".



Im Rahmen dieses Beitrags kann nicht auf das Gemeindeleben der Jahre nach 1887 eingegangen werden. Befassen muß man sich allerdings mit einer Erscheinung, die in vielen jüdischen Gemeinden in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zu beobachten war: mit der Abspaltung oder doch zumindest räumlichen Trennung einer orthodoxen Minderheit in der Kultusgemeinde, da sie innerhalb kurzer Zeit Anlaß zum Bau einer weiteren Synagoge war...

wird fortgesetzt...

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