
Die Sozialarbeit
der Jüdischen Gemeinde Weiden
Jahresbericht 2002
Sozialarbeiterstelle:
Diese Arbeit teilen sich als Ganztagesstelle, ¾ vom bayerischen
Staat gefördert und ¼ von der Jüdischen Gemeinde Weiden finanziert.
Die offizielle wöchentliche Arbeitszeit
beträgt 38,5 Std., doch beide arbeiten zusätzlich zahlreiche freiwillige
Stunden, da Arbeit am Menschen nicht mit der Stechuhr gemessen werden kann.
Beide Frauen stammen auch aus dem Kreis
der Zuwanderer und kamen im Jahr 1995 zu uns. Sie kennen die Anfangssorgen am
besten und Russisch ist ihre Muttersprache. Im Gegensatz zu den deutschstämmigen
Aussiedlern können unsere Zuwanderer kein Deutsch.
Beide sind die erste Anlaufstelle für die
"Neuen" und übersetzen mitgebrachte Papiere, um die Anmeldungen auf den Ämtern
in die Wege zu leiten.
Bürozeiten:
Montag bis Freitag: 10.00-18.00 und Mittwochs bis 20.00 Uhr feste Sprechstunden,
dazu kommen noch Sprechzeiten in der Aufnahmestelle an Dienstagabenden.
Zusätzlich in diesen Zeiten sind Behörden- Ämter- oder Arztbesuche von beiden
Sozial-arbeiterinnen zu betreuen.
Aufgaben der Sozialarbeiterinnen:
Kontingentflüchtlinge kommen mit wenig Wissen über die BRD, aber mit der großen
Wunschvorstellung, hier mögen sich die eigenen Lebensumstände umgehend
verbessern.
Nur, dass sich hier der Mensch um vieles alleine kümmern muss, und das noch dazu
in einer fremden Sprache, erleben die meisten erstmals sehr eindringlich. So
gibt die Weidener Jüdische Gemeinde jedem Neuankömmling einen Leitfaden in
russisch an die Hand, damit er Weiden kennen lernt, die Behörden, die jetzt
wichtig sind für ihn und noch einige wichtige Adressen wie Ärzte etc. Zusätzlich
werden die "Neuen" auch über die Aufgaben einer jüdischen Gemeinde informiert,
da sie eine solche Institution aus ihrer Heimat her nicht kennen.
Die Hauptaufgaben in der Sozialarbeit sind:
-
Anmeldung bei allen Ämtern, samt der damit
verbundenen Erstübersetzung von Pässen und Geburtsurkunden
-
Hilfe bei den Schulanmeldungen für die
Kinder
-
Beratung für die richtige Schulart
-
Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen aller Art
-
Hilfe beim Arbeitsamt
-
Hilfe bei der Wohnungssuche
-
Sammeln, Sichten und Bearbeiten aller
nötigen Unterlagen für die Anerkennung über die Zentralwohlfahrtstelle der Juden
in Frankfurt
-
Betreuung und Übersetzungshilfe bei
Arztgängen
-
Betreuung von Krankenhauspatienten
-
Vermittlung von Fachdiensten bei familiären
oder persönliche Schwierigkeiten
-
Allgemeine Informationen über "Leben hier"
-
Hilfe bei der Organisation von Senioren-,
Informationsabenden, Gemeinde-veranstaltungen
-
Vermittlung von Seminaren sozialer oder
religiöser Art der ZWSt an Interessenten
Daneben
haben beide Frauen auch eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, dass man oft
"nur" ein Entlastungsgespräch in gesondert vereinbarten Sprechstunden sucht,
weil man sich in manch neuen Situationen einfach überfordert fühlt. Dazu gehören
auch Hausbesuche, denn die Arbeit geht weiter , wenn die Neuen längst das
Wohnheim verlassen und eine Wohnung haben.
D.h.,
die Arbeit besteht im Wesentlichen aus Einzelberatungen, denn jeder Mensch ist
eine Welt für sich und als Ankömmling hier in einer Ausnahmesituation, und eben
dies verlangt außerordentliches Fingerspitzengefühl.
Oftmals bringen diese
vielfältigen Aufgaben die Sozialarbeiterinnen an die Grenze ihrer
Belastungsfähigkeit, was für uns ein Zeichen ist, dass hier "Burn-Out" in
doppelter Hinsicht droht. Selbst noch fremd in diesem Land mit eigenen
persönlichen Adaptions-schwierigkeiten, muss man laufend neue Menschen betreuen,
begleiten und beraten. Kein leichter Job!
betreutes Wohnheim:
-
Regierungsaufnahmestelle der Oberpfalz
Frauenrichterstr.140a
92637 Weiden
Das
Wohnheim verfügt über 33 Zimmer mit insgesamt 164 Betten. Je nach
freien Plätzen werden die ankommenden Kontingentflüchtlinge von der
Landesaufnahmestelle Nürnberg eingewiesen. Die Wohndauer im Heim, das pro Zimmer
bis zu fünf Leute beherbergt, beträgt durchschnittlich sechs Monate. In dieser
Zeit wandern die Menschen entweder in größere Städte ab, aufgrund der besseren
Arbeitsmarktchancen oder suchen sich nach dem bisherigen sechsmonatigen
Sprachkurs eine Wohnung.
Jüdische Gemeinde
in Weiden:
Brennpunkt "Migration"
Seniorenclub "Simches":
Der
Begriff "Senioren" ist bei uns altersmäßig ziemlich weit gefasst. Jeden
Mittwochabend, besonders bei Veranstaltungen finden sich bei uns viele ein, die
im Alltagsleben bestimmt noch nicht zu den Älteren zählen. Aber unser
Seniorenclub hat Dank der Organisation unserer Sozialarbeiterinnen ein festes
Programm im Gemeindeleben entwickelt.
Zusätzlich haben wir jetzt auch ein Versuchsprogramm gestartet, zweimal im Monat
einen Abend mit unserer Rabbinierin, in der sie auf anschauliche Weise religiöse
Themen nahe bringt.
Daneben
laufen Lesungen, Musikveranstaltungen, Vorträge, Ausflüge oder einfach nur ein
gemütliches Beisammensein, das den Gemeinschaftssinn fördert und die Gemeinde
als Nest begreifen lässt, zu dessen Gestaltung man selbst viel beitragen kann.
Doch
auch hier haben wir nach den nie geklärten Anschlägen gegen die Gemeinde in den
Jahren 2000 und 2001 erfahren müssen, dass manche Zusammenarbeiten, z. B. mit
dem örtlichen Seniorenhaus "Maria- Seltmann" zu Ende waren. So haben wir uns
jetzt wieder in die eigenen Reihen zurück gezogen und wir sehen einfach, was wir
innerhalb der Gemeinde für uns erreichen können.
Das
Programm für das Jahr 2002 war:
·
Videoabende zu politischen, kulturellen und religiösen Themen
·
Lesungen und Vorträge, Schriftsteller und Philosophen aus den
Reihen der Kontingentflüchtlinge
·
Konzerte in eigener Regie und Fahrten zu Konzerten in andere
Städte
·
Ausflüge mit Stadtführungen zum Kennen lernen des neuen Landes
·
Heimatkundliche Vorträge
·
Vorträge aus medizinischen, psychologischen und
gesellschaftspolitischen Bereichen
Daneben
spricht der gemeindeeigene Schachclub viele an. Viele unserer Senioren haben
auch an den Weiterbildungsseminaren der Zentral Wohlfahrtsstelle der Juden in
Frankfurt teilgenommen. |